Familienaufstellung Erfahrung: Mutterthema lösen
Diesen Text hat Sabine A. für mich aufgezeichnet. Sabine war 2018 bei mir, um das Thema mit ihrer Mutter zu lösen. Ihre Familienaufstellung Erfahrung hat sie hier aufgeschrieben. Neben dieser klassischen Aufstellung haben wir im Jahr 2019 weitere Online-Familienaufstellungen zu weiteren Themen gemacht. Sabine geht es darum, auch andere Menschen zu ermutigen, ihre Probleme zu lösen und eine klassische oder eine Online-Familienaufstellung zu machen.
Für Alessandra:
Seit Wochen habe ich mich auf diesen Tag vorbereitet. Immer wieder hatte ich von der Familienaufstellung gehört oder gelesen und nun will ich selber das erste Mal meine Familie aufstellen. Ich sitze in einem Raum in der Nähe von Koblenz. Ich möchte eine Familienaufstellung bei Alessandra machen. Ich bin aufgeregt. Mit mir werden an diesem Wochenende noch fünf andere Menschen ihre Familien aufstellen. Drei am Samstag, drei am Sonntag.
Familienaufstellung: Eine Mischung aus Faszination und Skepsis
Das erste Mal habe ich im Jahr 2000 von Familienaufstellungen gehört. Eine Kollegin erzählte mir davon und gab mir dann auch ein Buch über das Familienstellen: Was die Seele krank macht und was sie heilt – von Thomas Schäfer.
Was ich damals dort las, war unglaublich faszinierend. Aber nicht alles. Störend fand ich u.a. die Aussagen Hellingers bzw. Schäfers zur Stellung der Frau. Die Frau sei dem Manne Untertan. Und noch einige andere „rückständige“ Aussagen fielen mir auf. Zur Faszination mischte sich eine ordentliche Portion Skepsis. Die dann auch dafür gesorgt hat, dass ich nun, nach so vielen Jahren erst, meine erste Familienaufstellung mache. Auch Alessandra weiß um die vielen Vorurteile und kann geduldig alle Fragen zu Familienaufstellungen beantworten.
Doch nun bin ich zur Aufstellung nach Koblenz gereist. Mittlerweile sind alle da. Fast jeder hat eine Begleitperson mitgebracht. Auch ich. Zwei junge Frauen sind aus Neugierde da, um die Methode kennenzulernen. Um abzuwägen. Sie wollen, wenn, dann ein anderes Mal aufstellen.
Eine schwierige Mutterbeziehung
Das erste Mal habe ich vor etwa einem halben Jahr Alessandra telefoniert. Sie wurde mir von einer Freundin empfohlen. Wir waren uns von Anfang an sympathisch. Sie wollte wissen, warum ich meine Familie aufstellen will. Sie fragte, bohrte nach und ich berichtete ihr von einer schwierigen Beziehung zu meiner Mutter, von Unsicherheiten im Job, von fehlender Konstanz im Leben und vieles mehr. Alessandra hörte zu, bewertete keine meiner Aussagen, gab keine Ratschläge. Ich fühlte mich gut auggehoben, hatte das Gefühl, mit dieser Aufstellung das Richtige zu tun.
Auf eine Tapetenrolle hatte ich zuvor zu Hause unseren Familienstammbaum gemalt. Zumindest soweit es ging. Namen der Personen, Verwandtschaftsgrad, Beruf. Eine interessante Erfahrung, die mir viel gebracht hat.
Noch nie vorher war ich so tief in unsere Familienstruktur eingetaucht.
Alessandra begrüßt alle und jeder stellt sich kurz vor. Und dann ist auch schon der erste dran. Ein älterer Mann möchte anfangen. Wie viele musste er am Ende des zweiten Weltkrieges seine Heimat verlassen. Der Bauernhof, auf dem er aufgewachsen war, ließ ihn nicht los.
Dass ein Objekt, wie dieser Bauernhof, aufgestellt wird, fand ich als ungewöhnlich. Meistens, dachte ich, geht es um familiäre Situationen, die Verstrickungen auslösen. Um tot geschwiegene Kinder, kranke Familienmitglieder, Scheidungen, Adoptionen etc. Bei dem Bauernhofmann geht es um Vertreibung. Ein Thema das laut Alessandra bei vielen Aufstellungen vorkommt.
Die Zeit vergeht wie im Flug. Elke ist dran. Elke hatte bereits im vergangenen Jahr eine Familienaufstellung gemacht. Diesmal geht es um ihre Beziehung. Elke wählt aus uns allen ihre Stellvertreterin und eine weitere Person, die ihren Partner Herbert darstellt. Sie geht von einem zum anderen und lässt sie sich nur von ihren Gefühlen leiten. Ihre Stellvertreterin ist Simone aus Frankfurt. Der Bauernhofmann ist Herbert.
Nach und nach kommen weitere Personen dazu: Elkes Eltern, ihre Geschwister, der Großvater. Es ist verblüffend, aber die darstellenden Personen empfinden wie die „echten“ Personen, um die es geht.
Alessandra befragt die aufgestellten Personen zu ihrem Befinden. „Wie fühlst Du Dich an der Seite von Elke?“ fragt sie Herbert. „Eingeengt. Ich möchte mich gern umdrehen.“ Alessandra sagt: „Dann drehe Dich um.“ Herbert dreht sich um und geht auch noch zwei Schritte weg. „Ist es jetzt besser?“ fragt Alessandra. Herbert nickt.
Familienaufstellung heißt die nicht-verbale Sprache zwischen Menschen nutzen
Ich habe gegoogelt, Peter Schlötter von der Universität Witten-Herdecke hat dieses Phänomen entdeckt. Eine Familienaufstellung zeigt eine Art symbolische, nicht-verbale Sprache zwischen den beteiligten Personen. Diese Symbolik wird von verschiedenen Personen ähnlich wahrgenommen.
Eine Person, die am äußeren Rand und hinten steht, ist jemand, der nicht dazugehört oder mit der Sache nichts zu tun hat. Anders eine Figur, die sich einer anderen Personen zuwendet. Das ist jemand, von dem etwas Wichtiges erwartet wird.
So ähnlich hat es Alessandra auch vor den Aufstellungen erklärt und auch, dass man als Vertreter in einer Familienaufstellung Personen verkörpert, die mit dem eigenen Problem zu tun haben.
Dieses Phänomen kann ich bestätigen. Von den 6 Aufstellungen, werde ich viermal ausgewählt und bin ich viermal die Mutter. Und jedes Mal empfinde ich anders, ebenso wie die jeweilige Person, die ich verkörpere: Ich spüre Zuneigung oder Abneigung, Angst oder Freude. Ich fühle mich zu bestimmten Personen hingezogen. Oder mir kommen die Tränen, so traurig bin ich.
In einer Aufstellung bin ich 6-fache Mutter. Und spüre, dass eines meiner Kinder von einem anderen Mann ist. Doch das hat in diesem Fall für die Aufstellung gar keine Bedeutung.
In der vierten Aufstellung „spiele“ ich die „Hauptrolle“. Ich bin die Mutter in einer Familie, in der alle Probleme weggelacht werden. Und wirklich. Wir stehen alle minutenlang da und haben einen Lachanfall nach dem nächsten. Zum Schluss tun mir die Bauchmuskeln weh. Alle Beteiligten spüren, dass über die wichtigen Probleme in der Familie nicht gesprochen wird und mit Hilfe von Alessandra, ergründen wir woran das liegt.
Wichtig: Eine professionelle Führung durch die Familienaufstellung
Überhaupt, Alessandra macht das richtig gut. Egal welcher Aufsteller oder welches Problem. Sie geht sorgfältig an die Aufstellung heran, befragt immer wieder alle Beteiligten nach ihrem Befinden.
Ich bin die vorletzte Aufstellerin. Ich wähle meine Stellvertreterin und andere Personen für meine Mutter, meine Schwester, meinen Bruder. Dazu gehe ich an allen langsam vorbei. Ich kann es nicht genau erklären, aber eine innere Stimme führt mich zu der passenden Person.
Ich schiebe mich, meinen Vater und meine Mutter an eine bestimmte Position. Beide stehen hinter mir. Ich sehe sie also nicht. Meine Eltern werden gefragt, wie sie sich in dieser Position fühlen. Mein Vater fühlt sich unwohl und geht ein ganzes Stück weg. Auch meine Mutter will weg von mir bzw. von meiner Stellvertreterin. Denn ich selber sitze am Rand und beobachte das Ganze. Ich fühle mich wie eine Theaterzuschauerin. Ich spüre, dass es da um mich, um mein Leben geht. Doch irgendwie habe ich eine Distanz. Und das ist gut so.
Zuerst stellen wir die Kernfamilie auf
Meine Geschwister werden dazu geholt. Auch sie stehen abseits. Alessandra deutet es so, dass sie nichts mit meinem Konflikt zu tun haben. Das stimmt auch. Beide sind viele Jahre jünger als ich und haben wahrscheinlich nicht viel mitbekommen.
Alessandra fragt alle nach ihrem Befinden. Meine Mutter geht noch einen Schritt weg und beklagt sich, dass sie sich so alleine fühlt. Mein Vater dreht sich nun auch noch weg. Wie im wirklichen Leben. Er hat sich nicht wirklich für mich interessiert und für meine Mutter auch nicht. Wie ich jetzt sehe.
Von unserem Vorgespräch weiß Alessandra, dass meine Großmutter eine wichtige Rolle gespielt hat. Die Person, die in der Familienaufstellung meine Oma verkörpert, wendet sich mir zu und lächelt. Das war WIRKLICH so. Meine Großmutter war immer für mich da und mir wohlgesonnen.
Familienaufstellung-Erfahrung: Wie im Film. Im eigenen Film.
Das Ganze ist sehr surreal. Ich sitze da und sehe in mein Leben. Das Verhalten meiner Familienmitglieder erscheint mir vertraut. Die Distanz meines Vaters, das Klagen meiner Mutter. Es ist, als wenn sich da ein Puzzle zusammenfügt.
Etwa 90 Minuten dauert meine Aufstellung. Es kommt mir wie 20 Minuten vor. Am Ende begreife ich, dass meine Mutter mir ihre Probleme aufgeladen hat. Dinge, für die ich nichts kann und die mir nicht gehören, ihre Unzufriedenheit mit sich selbst und ihre Probleme, die sie von ihrer eigenen Mutter, meiner Großmutter „aufgeladen“ bekam.
Dazu komme ich jetzt in die Aufstellung an die Stelle meiner Vertreterin. Ich gebe meiner Mutter ihre Probleme zurück. Symbolisch. Als Kissen. Und dann drehe ich mich um und gehe aus der Aufstellung. Ich fühle mich erleichtert und habe nicht das Bedürfnis zurückzublicken.
Zwei Wochen nach der Aufstellung telefoniere ich noch einmal mit Alessandra. Sie fragt mich, wie es mir geht und ob sich etwas geändert hat. Ich sage ihr, dass nichts passiert ist. Kein Knall. Kein Bumm. Es ist eher ein Gefühl entstanden. Ein Gefühl, dass mir eine Last von den Schultern genommen wurde. Ein Gefühl der Erleichterung. Und ein Gefühl, dass ich mit meiner Muttergeschichte abgeschlossen habe. (Das sie es noch nicht war, daran habe ich zum damaligen Zeitpunkt nicht gedacht.)
Was passiert nach einer Familienaufstellung?
Und genau das ist es, sagt Alessandra. Wer eine Familienaufstellung macht, darf nicht erwarten, dass sogleich etwas Großes passiert. Meist sind die Effekte viel subtiler. Unter der Oberfläche. Der Umgang mit dem Partner oder mit den Eltern wird leichter. Es fällt auf einmal leicht, bestimmte Entscheidungen zu fällen, die man vorher jahrelang vor sich hergeschoben hat. Oder man trennt sich von Personen, die einem nicht gut tun.
Familienaufstellungen sind keine Therapie, sondern eine Methode, die Klarheit zu bestimmten Lebensfragen bringt. Familienaufstellungen eignen sich für alle Menschen. Für Männer und Frauen – das habe ich ja gesehen. Menschen, die sich beruflich verändern wollen, aber auf Hindernisse treffen. Oder für Menschen, die immer wieder mit denselben Problemen konfrontiert werden, z.B. der gleiche Typ Mann, der nicht passt. Für Menschen, die finanzielle Probleme haben.
Oder wie ich es gemacht habe, mit der Familienaufstellung meine Vergangenheit verarbeiten und Platz für Neues schaffen.
Nun weiß ich: Man sollte nicht mit der großen Wende im Leben rechnen. Alessandra bestätigt meine Erfahrung: Nur ganz selten gibt es ein absolutes Aha-Erlebnis. Meistens ist es eine subtile Verbesserung in einer bestimmten Situation. Die dann aber das Leben schöner macht.
Ich danke Alessandra, dass sie mich bei meiner ersten Familienaufstellung begleitet hat und für alle folgenden Aufstellungen live und als Onlineaufstellung. Und ich hoffe, dass ich mit meiner Familienaufstellung-Erfahrung mehr Menschen ermutigen kann, eine Familienaufstellung zu machen.